Der kleine Braunbär Sam

Der kleine Braunbär Sam
Zusammenfassung:
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Der kleine Braunbär Sam träumt davon, jemand anderes zu sein: ein Vogel, ein Fisch oder eine Ameise. Doch eine überraschende Begegnung lässt ihn erkennen, wie besonders er selbst ist.

„Ist das wohl ein Schaf oder doch eher eine Katze?“, überlegte Sam der kleine Braunbär, während er die flauschigen Wolken dabei beobachtete, wie sie im Eiltempo am Berggipfel vorbeizogen und immer wieder andere Formen von tierähnlichen Gestalten nachbildeten.

Während er die Wolkenformation beobachtete, lag er gemütlich auf einer Bergwiese im Gras und zupfte dabei gedankenversunken ein paar Gänseblümchen ab.

Sam war noch ein junger Bär, aber schon alt genug, um bereits häufiger allein unterwegs zu sein. Dem Schutz seiner Mutter war er fast entwachsen. Sie hatte ihm alles Notwendige beigebracht und schickte ihn nun regelmäßig allein auf Nahrungssuche.

Während er zum Jagen unterwegs war, legte er sich am liebsten ins kühle Gras und träumte. Als an diesem Tag ein großer, eleganter Adler über ihm am Himmel schwebte, beobachtete Sam, wie der eindrucksvolle Greifvogel scheinbar schwerelos durch die Luft schwebte.

Dabei schien er sich kaum anstrengen zu müssen. Sam wunderte sich, dass er nicht einmal seine Flügel bewegte.

„Ach, ein großer Vogel wäre ich gern! Dann könnte ich fliegen und die Welt von oben aus betrachten. Ich könnte heute an diesem Ort sein und morgen bereits an einem ganz anderen. Ich würde schon von oben meine Beute erkennen können und bräuchte dann nur noch hinunterstürzen, ohne lange suchen zu müssen.“

Etwas schwerfällig erhob er sich von seinem Liegeplatz und machte sich mit knurrendem Magen auf den Weg hinunter zum Fluss. Die Strömung war schnell und das blaue Wasser schwappte kräftig gegen die vielen kleinen Felsen und Steine, die den Fluss sorgfältig einbetteten.

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Sam bahnte sich den Weg durch den reißenden Fluss. Er entdeckte einen großen Felsbrocken und setzte sich auf die höchste Stelle. Trotz seines knurrenden Magens war ihm heute nicht nach Fischen zumute. Er beobachtete stattdessen, wie sich eine Gruppe von Lachsen entgegen der Strömung Richtung Flussmündung kämpfte und versank erneut in Gedanken.

„Ach, ein Fisch müsste man sein!“, sinnierte Sam. „Dann könnte ich ganz geräuschlos und sanft durchs Wasser gleiten. Ich könnte mich einem großen Schwarm anschließen und mich einfach treiben lassen. Dort unten im Meer könnte ich die schönsten Korallenriffe sehen und die leckersten Algen fressen. Die Strömung würde mich zu den schönsten Orten bringen.“

Ohne auch nur einen einzigen Fisch gefangen zu haben, kletterte Sam vom Felsen herunter und überquerte eine Wiese in Richtung Wald. Auf dem Weg dorthin stillte er beiläufig seinen Hunger, indem er die saftigen Brombeeren einiger prächtiger Sträucher pflückte und genüsslich verspeiste.

„Mmmh… das ist jetzt genau das Richtige“, sagte er zufrieden. Laut schmatzend genoss er die süßen Früchte, sodass ihm dabei der rote Saft aus dem Mund lief.

Am Nachmittag stand die Sonne hoch am Himmel. Sam begann unter seinem dichten Fell zu schwitzen und suchte nach Schatten. Als er einen großen Baum mit einer dichten Krone aus bunten, bereits herbstlich gefärbten Blättern entdeckte, steuerte er geradewegs auf einen kleinen Wald zu.

Er sah sich um und beschloss ein kleines Päuschen zu machen. „Heute werde ich einfach mal gar nichts machen!“, brummte er und nahm sich vor, einfach mal zu faulenzen. Doch als er es sich gerade unter dem schattigen Baum so richtig gemütlich machen wollte, kitzelte es plötzlich ganz fürchterlich unter seinem Fell.

„Hey!“, schrie Sam. Er sprang hektisch auf und schüttelte sich mit ganzer Kraft. Dabei hüpfte er sogar von einem Bein auf das andere und hoffte, den Verursacher für das Kribbeln und Kitzeln aus seinem Fell ausfindig zu machen.

Doch es tat sich nichts. Sam war verzweifelt. Nun lehnte er sich an den breiten Baumstamm an und schubberte sich so kräftig daran, wie er nur konnte. Doch es half alles nichts.

„Ich muss herausfinden, wer sich so plötzlich unter meinem Fell versteckt hat.“ Als er auch bei genauerem Hinsehen niemanden entdecken konnte, setzte er sich niedergeschlagen unter den Baum. Erst jetzt bemerkte er ein leises Trippeln im sandigen Waldboden und sah etliche kleine schwarze Punkte durch das Geäst verschwinden.

„Nanu, wohin laufen diese kleinen Wesen denn?“ Sam hatte bisher noch keine Begegnung mit Ameisen gemacht und beobachtete nun neugierig die kleinen Insekten.

Er sah nun, wie eine Ameisenkolonie vom Baumstamm hinab Richtung Wald krabbelte. Dabei nahmen einige der kleinen Tiere scheinbar eine Abkürzung durch Sams Fell.

Interessiert verfolgte Sam mit seinen Blicken, wohin die kleine Ameisen im Eiltempo liefen. Neugierig beschloss er ihnen zu folgen. Die kleinen Ameisen waren schnell und flink und hatten scheinbar ein genaues Ziel vor Augen.

Gerade als Sam dachte, den Ameisenhügel in der Ferne zu erkennen, stolperte er über einen alten Baumstumpf. Während er den flinken Tieren so schnell hinterher gelaufen war, bemerkte er gar nicht, dass er in eine Sackgasse geraten war. Um ihn herum war der Wald nun dicht bewachsen und um ihn herum wuchsen hohe stachelige Sträucher.

Sam versuchte sich mit seinen Tatzen durch die dichten Büsche einen Weg zu bahnen, doch die dornigen Äste verfingen sich sofort in seinem Fell.

„Autsch!“, brummte der Bär. „Wie konnte mir das nur passieren?“ Sam versuchte sich von den Dornen zu befreien. Dorn für Dorn zog er vorsichtig aus seinen Tatzen. Jetzt erinnerte er sich an die Worte seiner Mutter, die ihm immer geraten hatte, zuerst zu überlegen und erst dann einer Spur zu folgen.

Sam ärgerte sich über diesen Anfängerfehler. Er hatte sich nur auf die kleinen Ameisen und ihren Weg in den Wald konzentriert und dabei ganz vergessen zu überlegen, was ihn am Ende erwarten könnte.

Als er sich von allen Dornen befreit hatte, suchte er nach einem Ausweg. Dabei begegnete ihm wieder die Ameisenkolonie, die sich ordentlich aufgereiht und scheinbar mühelos durch die stacheligen Äste zielstrebig auf die andere Seite der Dornbüsche bewegte.

„Eine Ameise wäre ich jetzt gern! Dann würde ich überall hindurch passen und keine Hindernisse würden mir den Weg versperren“, brummelte Sam laut.

Plötzlich wurde Sam durch eine fremde Stimme aus seinen Gedanken gerissen. Er blickte nach oben und sah ein braunes Eichhörnchen auf einem schmalen Ast sitzen.

„Niemals hätte ich vermutet, dass sich ein Bär – wie du – wünscht, ein kleines Wesen wie eine Ameise zu sein!“, hörte er es hinunter rufen.

„Aber warum denn nicht?“, fragte Sam verwundert.

„Na weil du ein Bär bist! Stark und kräftig. Alle Tiere haben großen Respekt vor dir und deinen Artgenossen. Ihr Bären seid stark und mutig. Ihr könnt Bäume hinaufklettern, schwimmen und schnell laufen. Ihr habt so große Tatzen, die alles heben und tragen können und eine laute furchteinflößende Stimme, sodass der ganze Wald erbebt.“

Sam beobachtete sprachlos das wild gestikulierende Eichhörnchen und befürchtete dabei, dass es gleich vom Ast stürzen könnte. Doch das Eichhörnchen hatte sich gut festgekrallt und erzählte und erzählte.

Sam sah immer noch nach oben und war völlig überrascht, dass ihm ein klitzekleines Eichhörnchen erzählte, wie glücklich er sich schätzen konnte, ein Bär zu sein.

Wachgerüttelt durch das Gesagte, fühlte Sam sich plötzlich sehr bestärkt. Er richtete sich auf und stellte sich auf beide Hinterpfoten. Dadurch erreichte er eine immense Größe. Nun hatte er einen guten Überblick und sah einen Ausweg aus den stacheligen Dornbüschen.

Er war plötzlich zufrieden und irgendwie bestärkt. Es fühlte sich wieder gut an ein Bär zu sein. Er wollte nun mit keinem Fisch, keinem Vogel und keiner Ameise tauschen.

Bevor er in den Tiefen des Waldes verschwand, drehte er sich noch einmal kurz um und sah freudig zu dem kleinen Waldbewohner hinauf.
Sam hob dankbar die Tatze zum Abschied und vergaß dabei sogar die unzähligen Ameisen in seinem Fell.

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