
„Das ist aber auch eine triste Angelegenheit da draußen! Die Sonne lässt sich kaum blicken. Hatten meine Menschen nicht gesagt, dass bald Ostern sein soll? Da muss ich mich wohl verhört haben. In den letzten Tagen hat es sogar etwas geschneit. Und es gibt einfach nichts spannendes zu beobachten“, dachte sich Kater Leo auf seiner warmen Fensterbank.
Seit dem Vortag schien sich allerdings in der Nachbarschaft etwas zu bewegen. Das Haus nebenan stand schon seit einiger Zeit leer, nachdem eine ganz liebenswürdige alte Dame dort ausgezogen ist. Danach tummelten sich ganz viele Leute im Haus und dem Garten und dann war es wieder ganz still.
Leo mochte es gern, wenn er abends beobachten konnte, wie die Lichter im Haus angingen und die alte Dame es sich in einem gemütlichen Sessel bequem machte. Dann griff sie immer unter den großen Lampenschirm, nahm sich eine Zeitschrift in die Hand und las.
Bei dem gemütlichen Anblick dämmerte Leo manchmal selbst ein. Und wenn er nach einiger Zeit wieder hinaus sah, waren die Rollos im Haus bereits heruntergezogen und die alte Dame schlief. Doch nach ihrem Auszug fehlte Leo dieses abendliche Ritual.
Nun tat sich aber wieder etwas auf diesem Nachbargrundstück. Immer wieder hielten Autos vor dem Haus. Ein paar Menschen flitzten ständig rein und wieder raus.
Als neugieriger Kater lugte Leo immer wieder mal um die Ecke, wenn die Haustür kurz offen stand. Schließlich musste er doch wissen, wer denn so in der unmittelbaren Nachbarschaft einziehen würde.
„Brrrr…“, schüttelte Leo sich. „Genug frische Luft geschnappt…“, und schon war er wieder drin.
Es dauerte immer etwas, bis Leo Vertrauen zu fremden Menschen fasste. Deshalb konnte man ihn nicht unbedingt als einen Schmuse-Kater bezeichnen.
Da musste schon etwas nettes passieren, bis Leo sich anderen freundlich zuwandte. So leicht war er nicht zu beeindrucken. Schließlich hatte er ja seine Menschen und die reichten ihm völlig.
Hauptsächlich machte sich Leo Sorgen, dass vielleicht ein kläffender Konkurrent im Schlepptau der Menschen war. Deshalb hatte sich Leo vorgenommen, sein Territorium genau im Auge zu behalten.
Und das tat er in regelmäßigen Abständen. Als die neuen Leute das Haus bezogen und immer noch kein Kläffen weit und breit zuhören war, beruhigte sich Leo zusehends.
Keine Gefahr im Verzug, nur neue Nachbarn. Er wandte sich wieder mehr seinen Sachen zu und überlegte, was er demnächst mal so anstellen könnte.
Draußen roch es immer mehr nach Frühling und die Sonne zeigte sich öfter.
Angeregt durch seine Menschen, die sich vorgenommen hatten, im Garten vieles umzugestalten, hatte auch der Kater Lust bekommen, hin- und wieder durch den Garten zu streunen.
„Vielleicht kann ich auch mal ein Beet anlegen?“, überlegte er. „Miau, was könnte ich denn mal so pflanzen?“ Leo schielte durch die Hecke, die noch keine Blätter trug, zu den neuen Nachbarn rüber und was sah er dort..?
Eine wunderschöne Katze saß auf der Terrasse und blinzelte der Sonne entgegen. Mit allem hätte Leo gerechnet, nur nicht mit einer so schönen Artgenossin in der unmittelbaren Nähe.
Der Kater verharrte auf dem Fleck und konnte den Blick nicht von der Katze abwenden.
„Hoffentlich merkt sie nicht, dass ich sie so beobachte“, fiel ihm plötzlich ein. Er schlich zu einer anderen Stelle der Hecke, die noch lichter war und guckte hindurch. Immer auf die richtige Distanz achtend, um nicht ertappt zu werden.
Dann rannte er was das Zeug hielt durch die offene Eingangstür, die Treppe hoch auf seine Fensterbank, atmete tief durch und sah hinunter auf den Nachbargarten.
Hier fiel er nicht so auf. Er sah die schöne Katze, wie sie sich elegant durch die Büsche bewegte und dann im Haus verschwand.
Leo konnte seine Gefühle nicht richtig einordnen. Diese Aufregung, die ihn plötzlich überkam, kannte er so nicht. Was konnte er nur anstellen, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken? Am liebsten würde er sich sofort mit ihr anfreunden, aber viel Übung hatte Leo darin nicht.
Dem Kater gingen tausend Sachen durch den Kopf. „Miiaau! Das wäre doch mal eine tolle Abwechslung in meinem Katerleben!“, sinnierte er.
„Endlich mal jemand der mich sofort verstehen würde! Nichts gegen meine Menschen natürlich, aber… das ist nun mal etwas ganz anderes.“
Den nächsten Morgen konnte er kaum abwarten. Die Tür war noch nicht geöffnet, also sprang er durch die Katzenklappe in den Garten. Es regnete schon wieder. Dennoch schlich er zur Hecke. Aber keine schöne Katze in Sicht.
„Das habe ich doch nicht geträumt?“, dachte er trübsinnig. Er schüttelte sich die Nässe aus dem Fell und trottete wieder rein.
„Leo!“ riefen seine Menschen. „Frühstück! Du kommst doch nicht etwa aus dem Garten?“
Aber Leo lief am Napf vorbei und ließ den Kopf hängen, ohne jemanden anzusehen. „Was ist denn mit unserem Kater los? Ist er krank?“, fragte Leos Herrchen.
„Nicht, dass ich wüsste. Gestern war er noch ganz fidel“, meinte Leos Frauchen.
„Etwas ungewöhnlich dieser Spurt nach draußen heute morgen. Er mag doch eigentlich keine nassen Pfoten. Wahrscheinlich hat er etwas gesucht. Na ja, so ist unser Leo eben. Immer für eine Überraschung gut.“
Das sonderliche Benehmen des Katers wiederholte sich in den nächsten Tagen, was Leos Menschen natürlich nicht entging.
Da sie aber, wie so oft, sehr mit der Umsetzung ihrer Pläne beschäftigt waren, ignorierten sie es einfach mit den Worten: „Etwas launisch unser Leo zur Zeit. Aber er hält sich mittlerweile so gern in unserem Garten auf. Die frische Luft wird ihm nach dem langen Winter guttun.“
Leo seinerseits, übersah seine Menschen ebenso, denn er hatte immer noch keine richtige Idee, wie er den Kontakt zu seiner neuen „Nachbarin“ aufnehmen könnte.
Denn die schöne Katze nahm immer noch keine Notiz von ihm. Bemerkt hatte sie ihn natürlich auch, denn Leo beschloss, sich nicht mehr zu verstecken.
Ganz im Gegenteil: Er stolzierte ganz aufrecht die Hecke auf und ab. Dann kletterte er auf einen Pfeiler des Gartenzauns und guckte ganz freundlich rüber. Aber die Katze zeigte einfach kein Interesse.
„Sie ist sicherlich ganz schüchtern, weil die Umgebung neu für sie ist. Womit könnte ich ihr wohl eine Freude machen?“, überlegte der Kater.
„Menschen schenken sich Blumen… und ich werde…“ Er holte seine Gummimaus und ein Wollknäuel aus seinem Sammelsurium, legte es auf die Terrasse des Nachbargartens und verzog sich wieder. „Teilen ist immer gut“, dachte er sich.
Und tatsächlich, als die Katze den Wollknäuel sah, lief sie ihm hinterher, hatte sichtlich Spaß und hielt nun Ausschau nach Leo.
Darauf hatte Leo nur gewartet. Sofort war er zur Stelle und so tollten die beiden durch den Garten. Rannten, miauten, spielten, kletterten…
Leos Menschen, die den Garten so gut wie fertig hatten, schauten sich lächelnd an und meinten: “Das ist also mit Leo los! Na, da wundert uns ja gar nichts mehr! So ausgelassen haben wir ihn schon lange nicht gesehen. Übrigens, hast du schon unsere neuen Nachbarn kennengelernt? Ich wusste gar nicht, dass sie eine Katze haben?“
„Oh! Die Katze gehört uns leider nicht“, hörten sie eine Stimme aus dem Nachbargarten. Ein älteres Ehepaar kam um die Ecke und stellte sich Leos Menschen freundlich vor.
Kitty wird morgen von unserer Tochter wieder abgeholt. Sie ist bei uns nur in Pension und wird sicherlich immer wieder mal hier Urlaub machen.
„Ach wie schade. Wir glauben Leo, unser Kater, ist etwas verliebt.“
Ganz in der Nähe entspannte sich Leo von der Tollerei und hörte ganz zufällig das Gespräch der Menschen. Im ersten Moment erschrak er über das Gehörte: „Wie? Nur zu Besuch?“, überlegte er.
Fasste sich aber wieder und dachte: „Na ja! Verliebt ist ja wohl etwas übertrieben. Was die Menschen sich auch immer einbilden, wenn man mal jemanden nett findet. Wäre zwar ganz schön gewesen, wenn sie hier bliebe, aber sie kommt ja wieder. Und das ist doch die Hauptsache.“
„Miau! Zumindest war das ein ganz toller Tag! Und viel Mühe habe ich mir auch gegeben“, lobte sich der Kater selbst. Ganz selbstbewusst ging er zu Kitty, um sich von ihr zu verabschieden.
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Ich habe mich mal wieder über eine neue Kater Leo Geschichte gefreut. Ich lasse mir die Geschichten des Katers immer zum Einschlafen vorlesen und sie enttäuschen mich nie. Ich hoffe die Geschichte von Kater Leo hört nie auf und es kommen immer mal wieder neue Abenteuer.