
„Das ist meine Kokosnuss!“, rief Tambo seinem Bruder energisch zu und schwang sich in eiligem Tempo von einer Liane zur nächsten. Maboso ließ nicht locker, schnappte sich eine benachbarte Liane und folgte ihm mit einem breiten Grinsen.
„Nicht, wenn ich sie zuerst bekomme!“, rief er lachend. Lalou, die kleinste der drei Affengeschwister, kicherte und sprang flink hinterher. Der wilde Wettkampf führte sie immer tiefer in den Dschungel hinein.
Plötzlich hielt Tambo mitten in der Luft inne. Ein neues Geräusch drang an seine Ohren – ein leises, aber stetiges Rauschen. „Habt ihr das gehört?“, fragte er und ließ sich vorsichtig auf einem breiten Ast nieder. Maboso und Lalou landeten neben ihm und lauschten gespannt.
Gerade als sie weiterziehen wollten, raschelte es plötzlich im Gebüsch. Ein tiefes Knurren ließ sie erstarren. Zwischen den Blättern schimmerten zwei goldene Augen – ein Tiger! Er schlich langsam auf sie zu, seine Muskeln angespannt, bereit zum Sprung.
Maboso trat einen Schritt zurück. „Wir sollten umkehren!“, flüsterte er ängstlich. Auch Tambo zögerte: „Vielleicht hast du recht…“
Doch Lalou schüttelte entschlossen den Kopf. „Wenn wir zusammenbleiben, kann uns bestimmt nichts passieren!“, sagte sie leise und kletterte als erste eifrig einen hohen Baum hinauf.
Die beiden taten es ihr gleich. Von hier aus konnten sie den mächtigen Tiger beobachten. Er konnte zwar gut klettern, aber niemals so hoch, wie die drei Affenkinder. „Gut gemacht, kleines Schwesterlein“, sagte Maboso anerkennend. Nach einer Weile schien der Tiger eingesehen zu haben, dass die drei Geschwister keine einfache Beute waren, und verlor das Interesse an ihnen.

Nachdem die Gefahr gebannt war, kletterten die drei wieder hinab auf den feuchten Dschungelboden. Sie folgten erneut dem plätschernden Geräusch, das mit jedem Schritt näher zu kommen schien.
Schließlich erreichten sie eine dichte Felswand, bedeckt mit Lianen und dickem Moos. „Hier geht es nicht weiter“, seufzte Lalou. „Der ganze Weg war also umsonst“, sagte sie enttäuscht.
Doch diesmal war es Tambo, der nicht sofort aufgeben wollte. Mit einem kräftigen Sprung riss er an einer großen Liane – und plötzlich tauchte ein großes Loch in der Felswand auf. Neugierig traten sie näher heran, als ein Luftzug aus der Dunkelheit ihnen über die Schultern streifte.
„Was war das?“, fragte Lalou etwas nervös. Doch dann drangen Sonnenstrahlen hindurch, und vor ihren staunenden Augen offenbarte sich ein wunderschöner, glitzernder Wasserfall!
Das Wasser rauschte über große Felsen hinab und landete in einem kleinen, klaren See. „Das ist ja unglaublich!“, rief Maboso begeistert. „Wir haben einen geheimen Wasserfall entdeckt!“
Doch bevor sie sich weiter umsehen konnten, bewegte sich ein langer Schatten am Rand des Wassers. Eine lange, schimmernde Schlange glitt lautlos über einen Stein und kam ihnen gefährlich nahe. Ihre Augen funkelten misstrauisch. „Was macht ihr hier an meinem Wasserfall?“, zischte sie scharf.
Die Affenkinder erschraken kurz, doch Tambo trat mutig einen Schritt nach vorne. „Wir wussten nicht, dass er dir gehört! Wir haben ihn nur durch Zufall gefunden.“ Die Schlange richtete sich auf und fauchte: „Na dann könnt ihr ja wieder gehen. Der Wasserfall gehört nämlich mir allein.“
Lalou schaute sich um. „Aber warum willst du ihn ganz für dich allein haben?“
Die Schlange wand sich unruhig. „Das geht euch nichts an!“, zischte sie. Doch die Affenkinder gaben nicht auf. „Du versteckst doch etwas, oder?“, fragte Maboso misstrauisch. „Vielleicht ist es ein Schatz? Oder etwas anderes Wichtiges?“
Die Schlange antwortete verärgert und wand sich nervös hin und her. „Was ich hier habe, geht euch kleine Affenkinder nichts an!“, fauchte sie. Doch Tambo grinste. „Ach, dann ist es also nichts Besonderes? Nur ein gewöhnlicher Stein oder ein alter Ast?“
Maboso schüttelte theatralisch den Kopf. „So viel Geheimniskrämerei, und dann ist es am Ende nur ein Haufen Moos?“ Lalou kicherte und fügte hinzu: „Ja, sicher nichts, was uns interessieren könnte!“
Die Schlange sah die drei Affenkinder wütend an. „Unsinn! Es ist etwas viel wertvolleres!“, rief sie aus, bevor sie ihren Fehler bemerkte. Die Affenkinder sahen sich triumphierend an. „Also doch!“, rief Maboso. „Jetzt musst du uns zeigen, was es ist, oder wir werden uns hier umsehen und es selbst herausfinden!“
Widerwillig glitt die Schlange zum Rand des Wasserfalls und schob mit ihrem Schwanz einige große Steine zur Seite. Dahinter kam eine kleine, dunkle Höhle zum Vorschein. „Ich zeige euch, was ich hier bewache aber danach verschwindet ihr und kommt nie wieder! Verstanden?“
Die Affenkinder traten näher und sahen eine riesige, schimmernde Feder in leuchtenden Farben. Nachdem sie in die fragenden und etwas enttäuschten Gesichter der drei Affen sah, flüsterte die Schlange ehrfürchtig: „Diese Feder mag gewöhnlich aussehen, aber sie hat besondere Zauberkräfte!“
Lalou fragte als erste: „Was denn für Zauberkräfte?“ „Sie verleiht mir ewiges Leben und unvergleichliche Schönheit. Niemand darf sie mir wegnehmen!“
Tambo runzelte die Stirn. „Ewige Schönheit? Aber… du bist doch eine Schlange! Wieso sollte das für dich so wichtig sein?“
Maboso kratzte sich am Kopf. „Ja, das klingt eher nach etwas, das ein Pfau oder ein Papagei wollen würde, nicht wahr?“
Die Schlange zischte empört. „Unsinn! Ich bin die schönste Kreatur im ganzen Dschungel!“ Doch in ihrer Stimme lag ein Hauch von Unsicherheit.
„Aber wer sieht dich denn hier, wenn du dich immer versteckst? Vielleicht wird sie dir das ewige Leben und sogar endlose Schönheit schenken, aber niemand kann es bewundern?“, fragend blickte Maboso zur Schlange, die sich nervös um die Feder herum schlängelte.
Die Schlange schwieg. So hatte sie noch nie darüber nachgedacht. Schließlich bewegte sie sich zurück ins Wasser und überlegte. „Vielleicht… vielleicht könnt ihr ab und zu hier am Wasserfall sein. Aber ihr dürft die Feder niemals berühren und auch niemandem davon erzählen.“
Die Affenkinder grinsten. „Versprochen!“, riefen sie wie aus einem Mund und sprangen fröhlich ins kalte Wasser. Die Schlange beobachtete die drei zuerst misstrauisch, doch dann entspannte sie sich. „Vielleicht ist es doch nicht so schlecht, ab und zu mal ein wenig Gesellschaft zu haben.“
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