Lori und das goldene Seegras

Gute-Nacht-Geschichte über Seepferdchen Lori
Zusammenfassung:
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Als Lori einem fremden Fisch das Leben rettet, bekommt es ein besonderes Geschenk. Doch was als Wunder beginnt, wird für die Bewohner des Riffs zur großen Herausforderung.

Tief unten im Ozean, fernab von allen Landkarten, gab es ein leuchtendes, buntes Korallenriff, das kaum ein Lebewesen je zu Gesicht bekommen hatte. Hier lebte das kleine Seepferdchen namens Lori.

Es war von zartgelber Farbe und hatte eine geschwungene Schwanzflosse, mit der es sich geschickt an den Halmen des Seegrases festhalten konnte.

Am liebsten trieb Lori durch das sanft wogende Seegras, das sich wie weiche Unterwasserwellen im Rhythmus der Strömung bewegte. Zwischen schimmernden Blätterfächern und leuchtenden Anemonen konnte Lori stundenlang verweilen. „So könnte es für immer bleiben“, dachte Lori oft glücklich.

Eines Morgens jedoch veränderte sich etwas. Lori hatte sich gerade an einem Blatt festgehalten, als ein lautes Blubbern durch das Wasser zog. Ein seltsamer Schatten fiel über das Riff. Neugierig löste sich Lori vom Seegras und schwebte vorsichtig nach oben.

Plötzlich schoss ein Fisch vorbei, der so aussah, als gehörte er gar nicht hierher. Er war groß, schillernd blau und trug neon leuchtende Muster auf seinen Flossen. Doch jetzt wirbelte er panisch umher und rief: „Hilfe! Ich bin gefangen, ich komme nicht mehr frei!“

Lori sah, dass sich ein altes Fischernetz zwischen den Korallen verfangen hatte. Der fremde Fisch hatte sich mit seinen langen Flossen darin verheddert. „Warte, ich helfe dir!“, rief Lori und schwamm flink zwischen die Netzschlaufen hindurch.

Mit geschickten Bewegungen und viel Geduld gelang es Lori, die Flossen des Fisches aus dem Netz zu lösen und den Fisch zu befreien. „Du hast mir das Leben gerettet“, flüsterte der Fisch, sichtlich erschöpft. „Ich bin dir auf ewig dankbar und möchte dir deshalb etwas schenken!“

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Nun machte er eine kurze Sprechpause. Dabei beobachtete er Loris fragenden Blick. „Ich schenke dir einen Zauber, den ich nur ein einziges Mal verwenden kann.“

Lori schaute ihn erstaunt an. „Aber ich brauche doch gar nichts. Ich habe dir doch nur aus dem Netz heraus geholfen.“

Doch der Fisch lächelte geheimnisvoll. „Schau nur hin. Es wird dir sicherlich gefallen.“ Im selben Moment begann er damit, einen silbernen Kreis aus kugelrunden Luftblasen zu formen. Dabei flüsterte er ein paar Worte, die wie ein sonderbarer Reim klangen.

Dort, wo zuvor das grüne Seegras gewachsen war, begann es plötzlich zu glänzen und zu funkeln. Es strahlte so hell, dass Lori die Augen zusammenkneifen musste.

Das kleine Seepferdchen traute seinen Augen nicht. Das weiche, grüne Seegras erstrahlte plötzlich in purem Gold. Es glitzerte und schimmerte in alle Richtungen. Die anderen Fische kamen sofort herbei und bestaunten die Veränderung. „Das ist wunderschön!“, flüsterten sie wie im Chor.

Täglich kamen nun mehr und mehr Tiere aus anderen Regionen des Meeres, um sich das glänzende Seegras anzusehen. „Habt ihr das goldene Feld gesehen?“, riefen sie euphorisch und lockten damit noch mehr schaulustige Tiere an. Einige schnitten sich sogar ein paar goldene Halme ab. Andere gruben das Gold mit ihren Flossen aus dem Meeresgrund und nahmen so viel mit, wie sie nur tragen konnten.

Lori beobachtete alles mit einem mulmigen Gefühl. „Aber das ist doch mein Zuhause“, flüsterte es leise. Immer mehr Besucher drängten sich durch das Riff, stießen gegen die empfindlichen Korallen und verscheuchten kleine Garnelen und ängstliche Kugelfische aus ihren Verstecken.

„Nehmen sie das Seegras etwa mit?“, fragte ein kleiner Krebs traurig und sah dabei zu Lori hoch. „Ich denke schon“, sagte eine alte Schildkröte zornig, ohne dabei auf Loris Antwort zu warten.

Eines Tages versammelten sich alle Riffbewohner. „Es ist nicht mehr so wie früher“, sagte die Schildkröte. „Wir verlieren unseren Rückzugsort und unsere Nahrungsquelle. Wir müssen etwas tun!“

Lori dachte lange nach. Dann erinnerte es sich an die silbernen Luftblasen und die seltsamen Reime, die der fremde Fisch damals sprach. „Vielleicht konnte man den Zauber ja wieder umkehren?“, überlegte Lori hoffnungsvoll.

Doch von dem Zauberfisch war keine Spur mehr zu finden. Nachdem er das Seegras in pures Gold verwandelt hatte, war er einfach verschwunden, als hätte er sich in Luft aufgelöst.

Da hatten die Riffbewohner eine Idee. Die cleveren Tintenfische mischten aus Tintenresten, Muschelschalen und Algen einen dunklen Brei, den sie vorsichtig über das goldene Gras spritzten. „Vielleicht sieht es dann nicht mehr so wertvoll aus“, schlug einer vor. Die Garnelen formten mit ihren kleinen Scheren ein Schild aus Muschelkalk: „Zutritt nur für Riffbewohner!“

Doch die neugierigen Besucher ließen sich nicht beirren. Einige rissen die Schilder ab, andere wischten die Tinte mit Flossenschlägen fort. „Es hilft nichts!“, rief ein Clownfisch verzweifelt. „Wir müssen das viele Gold dringend loswerden.“

Die Bewohner begannen, das goldene Seegras mühevoll auszureißen und bildeten dafür eine lange Kette, um es weiterzureichen. Am Rande des Riffs wurde daraus ein riesiger, leuchtender Haufen.

Ohne die glänzende Schönheit des Goldes zu bewundern, schob die Schildkröte mit ihrem schweren Panzer den mächtigen Haufen hinaus zur nächsten Strömung. „Los, bringen wir es weit fort!“, sagte sie aufmunternd. 

Gemeinsam rollten, schoben und schleppten sie das viele Gold in ein fernes, dunkles Tiefenbecken, wo das Tageslicht kaum mehr zu erblicken war. Als der letzte Halm versunken war, wurde das Wasser um sie herum ruhiger und die Tiere fühlten sich befreit. Befreit von einem Zauber, der ein Geschenk sein sollte, letztendlich aber zu einer schweren Last wurde. 

Schon ein paar Tage später wuchs das Seegras wieder an derselben Stelle nach. Doch diesmal strahlte es in einem saftigen Grün und bewegte sich im Sog der Wellen sanft hin und her, fast so, als würde es im Wind umher tanzen. Auch die Besucher blieben fern, und das Riff wurde endlich wieder zu dem Ort, der es einmal war.

Lori schloss die Augen, ließ sich vom Wasser durch das weiche, grüne Seegras tragen. Es war glücklich über sein altes Zuhause.

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