
„Es wird höchste Zeit, mal wieder Ordnung im Keller zu schaffen“, nörgelte Leos Herrchen. „Mittlerweile komme ich kaum noch an meine Werkbank heran.“ Er bahnte sich seinen Weg durch die vielen Kisten, Kartons und Säcke, die kreuz und quer im Keller verteilt waren.
Als er gerade mit einem Bein in einem alten Flechtkorb hängen blieb und dabei fast zu stolpern drohte, stieß er einen dumpfen Laut aus. „Autsch!“ In dem Moment kam auch seine Frau die Treppe hinuntergeeilt.
„Oh!“, rief sie. „Ich weiß, es ist gerade etwas voll hier unten, tut mir leid. Meine Damen vom Sportverein haben vorgeschlagen, einen Stand auf dem Flohmarkt aufzubauen und den Erlös für einen guten Zweck zu spenden. Schließlich ist bald Weihnachten! Da mache ich natürlich mit!“
Als sie den fragenden Blick ihres Mannes sah, erzählte sie weiter. „Gestern habe ich bereits angefangen, ein paar Sachen auszusortieren. Auch ein paar alte Spielsachen von unserem Leo. Wie du siehst, bin ich leider noch nicht ganz fertig geworden.“ Sie machte eine kurze Pause und schaute sich im Zimmer um.
„Ach ja, und ich wollte dich gerade fragen, ob du dich vielleicht auch von ein paar Sachen trennen könntest, die du nicht mehr so dringend brauchst?“
„Na klar! Man kann sich ja kaum noch bewegen, so zugestellt ist es hier.“ Im selben Moment begann er einen großen schwarzen Sack zu öffnen und allerhand alte Sachen hineinzuwerfen.
Die zwei unterhielten sich so laut, dass Leo, der in der warmen Küche saß, das Gespräch über die Aufräumaktion und die Vorbereitungen für den Flohmarkt mitbekam.

„Flohmarkt?“ Leos Ohren zuckten, als er das Wort aufschnappte. „Habe ich das richtig gehört? Ein Floh-Markt? Was soll das denn bitte sein? Wollen meine Menschen etwa diese kleinen, juckenden Biester sammeln und dann hierher bringen?“
Er rümpfte die Nase und schüttelte sich leicht bei dem Gedanken. „Igitt, das wäre ja furchtbar! Mein schönes Fell! Das kann ich unmöglich zulassen.“ Sofort war seine Neugierde geweckt, und er begann angestrengt zu lauschen, während seine Menschen sich weiterhin lautstark über die Vorbereitungen unterhielten.
Der Keller war zwar nicht gerade Leos Lieblingsort, aber wenn seine Menschen dort unten waren, gab es meistens etwas Spannendes zu beobachten. Und da es gerade auch nichts Spannenderes zu tun gab, beschloss Leo, ihnen etwas Gesellschaft zu leisten.
So schlich der Kater vorsichtig die Treppe hinunter und sah sein Herrchen. Leise schimpfend und nur auf einem Bein stehend, kämpfte sein Herrchen mit einem Flechtkorb, in den er zuvor getreten war.
Dieser hatte sich anscheinend an seinem Fuß verfangen und nun konnte er sich nicht so recht davon befreien. Leo fand den Anblick sehr lustig, verkniff sich aber lieber das fröhliche Miauen.
Nachdem Leo sich vergewissert hatte, dass sich in den Kisten nichts mehr befand, was er noch gebrauchen konnte, schlich er etwas besorgt wieder nach oben und legte sich auf seine Fensterbank.
„Die Luft ist heute ganz schön dick da unten. Die haben mich eben gar nicht richtig wahrgenommen. Da mache ich mich lieber rechtzeitig aus dem Staub“, beschloss der Kater.
Doch so recht entspannen konnte er sich nicht. Seine Gedanken kreisten stets um die Flöhe. „Wie kommen sie denn nur darauf, ausgerechnet einen Flohmarkt zu besuchen? Kann das kein anderer Markt sein? Irgendwie kann ich das nicht zulassen!“
Die ganze Nacht grübelte er und konnte nur schlecht einschlafen. Sein Fell juckte bereits bei dem Gedanken an die kleinen Quälgeister.
Am nächsten Morgen kam eine Freundin aus dem Sportverein zum Frühstück, um weitere Details zu besprechen. Leo hörte den beiden Frauen aufmerksam zu, während er unter dem Tisch auf herunterfallende Leckerbissen wartete. „Vielleicht findet ja auch ein Stückchen Lachs den Weg zu mir?“, hoffte er insgeheim.
„Klasse, dass du deinen Mann überzeugen konntest! Wir können jede helfende Hand gut gebrauchen“, hörte er die Freundin sagen.
„Übrigens, heute ist ein kleiner Flohmarkt ganz in der Nähe. Dort könnten wir uns doch schon mal umschauen und ein paar Ideen für unseren Stand sammeln. Was meinst du?“
„Das finde ich wunderbar. Dann lass uns doch direkt nach dem Frühstück losgehen“, hörte Leo sein Frauchen antworten.
„Das darf ich mir nicht entgehen lassen“, überlegte der Kater und nahm sich vor, den beiden Frauen aus sicherer Distanz zu folgen.
Nachdem der Frühstückstisch abgeräumt war und Leo ein paar Leckerbissen ergattern konnte, schlich er rechtzeitig auf die Terrasse, um den Start nicht zu verpassen.
Als die beiden Frauen das Haus verließen, machte er sich ebenfalls auf den Weg und wollte dabei natürlich unentdeckt bleiben.
Überrascht stellte Leo fest, dass der Markt tatsächlich in der unmittelbaren Nachbarschaft stattfand. Obwohl er ungern sein Territorium verließ, fühlte er sich hier einigermaßen sicher.
„Nur ein paar Meter zum Haus, da könnte ich jederzeit zurück, falls mir die flinken Flöhe zu nahe kommen sollten“, versuchte er sich zu beruhigen.
Die beiden Frauen waren unterdessen tief in ein Gespräch vertieft und bekamen gar nicht mit, dass der Kater sie heimlich und auf Samtpfoten verfolgte. Am Flohmarkt angekommen, verschaffte sich Leo erst einmal einen Überblick.
Doch als er auf den ersten Blick keine Flöhe erkennen konnte, obwohl er ganz gezielt nach ihnen suchte, kamen ihm langsam Zweifel auf. „Die scheinen sich ja sehr gut zu verstecken“, dachte der Kater, während er aufmerksam die Stände und deren Verkäufer musterte.
„Aber wenn man sie nirgends sehen kann, wie sollte man sie denn dann verkaufen, geschweige denn kaufen können?“
Leo wunderte sich, weil er nur Händler mit alten Vasen, Kommoden, verstaubten Gemälden, etlichen Büchern und allerlei anderen Krimskrams erkennen konnte.
Der Kater schlich vorsichtig von einem Stand zum anderen. Immer darauf bedacht einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu wahren.
Nachdem er mehrfach die Straßenseite gewechselt und einige Stände sogar von unten begutachtet hatte, stellte Leo fest: „Weit und breit keine Flöhe in Sicht! Hmm… manchmal verstehe ich diese Menschen einfach nicht! Aber egal. Jedenfalls habe ich wohl keine unangenehmen Mitbewohner zu befürchten.“
Erleichterung machte sich breit und Leo konnte den restlichen Spaziergang über den kleinen Markt sogar richtig genießen.
Doch schon nach kurzer Zeit begann er sich ein wenig zu langweilen. Erst als er plötzlich vor einem Kratzbaum stand, wurde seine Neugierde erneut geweckt. „Der riecht aber gut!“, stellte Leo fest.
Der Kater schlich sich so nah wie möglich heran, beschnupperte ihn von jeder Seite und schaute sich vorsichtig um. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass ihn keiner beobachtete, sprang er mit einem schwungvollen Satz hoch und machte eine Kletterprobe.
Ganz oben angekommen nahm er eine gemütliche Sitzposition ein und genoss den Ausblick über das Markttreiben.
„Ich habe doch noch etwas Vernünftiges auf diesem Flohmarkt gefunden! Und mit echten Flöhen hat dieser Markt scheinbar gar nichts zu tun“, resümierte Leo. „Und hier oben gefällt es mir richtig gut! Miau!“
Bereits im nächsten Augenblick ertönte ein ganz lautes Gebell. Zwei Hunde sind auf das Miauen aufmerksam geworden und umrundeten mit lautem Gekläffe den Kratzbaum.
Die Verkäufer und Marktbesucher wurden auf das Gebell aufmerksam und versammelten sich davor. Auch die beiden Frauen schauten jetzt in die Richtung.
„Das kann doch nicht sein!“, rief Leos Frauchen. „Der Kater da oben sieht aus wie unser Leo! Lass uns bitte mal etwas näher rangehen.“
„Miau!“, ertönte etwas kläglich von dem Kratzbaum.
Inzwischen hatte das Gebell aufgehört und die Hunde wurden von ihren Besitzern an die Leinen genommen. Leo war die ganze Situation sehr unangenehm. Er sprang so elegant, wie möglich vom Katzenbaum und sprintete schnurstracks nach Hause.
Völlig erschöpft von der Aufregung, suchte er ein schattiges Plätzchen auf der Terrasse und atmete tief durch. „Miau, alles noch mal gut gegangen und das ganz ohne Flöhe!“
Kurze Zeit später kamen auch die beiden Frauen zu Hause an und entdeckten Leo auf der Terrasse.
„Na, da haben wir uns wohl getäuscht! Schau mal wie gemütlich Leo vor sich hin döst!“, sagte Leos Frauchen und lachte erleichtert.
Eine sehr schöne Geschichte!
Ich habe dass Ende jedoch frech beim vorlesen leicht geändert:
Die Frauen haben Leo den Kratzbaum vom Flohmarkt mitgebracht… und Leo konnte sein Glück kaum fassen… ; )